Kitschkas: kurze Chronik

aus dem Buch von M. J. Neufeld
"Sud’by Pokolenij" (rus: Schicksale der Generationen) (1993).

1901
ist unser Dorf gegründet. Den Übersiedlern aus der Ukraine (Gebiet Jekaterinoslawl) wurde das Land, 60 Desjatin, (1 Des. = 1,09 ha.) für einen Bauer abgemessen. Wer reich genug war und den Wunsch hatte, konnte 2 Anteile kaufen. Als Anzahlung musste ein jeder 300 Rubel einzahlen. Der Bauer musste dazu auch noch 600 Rub. Bargeld aufweisen können, so wie vorhandenes Gerät und Instrument. Zwei Jahre brauchte er die weiteren Schulden fürs Land nicht zahlen, aber dann – jedes Jahr 1800 Rubel je 12 Jahre für einen Anteil. (Um klarzustellen, was ein Rubel zu der Zeit bedeutete: 1902 kostete 1 Pud (16,38 kg ) Weizen 0,62 Rubel. Die Erträge waren zu der Zeit oft sehr niedrig wegen den Witterungsbedingungen und anderer Ursachen ).
1901
hatten alle Dörfer der Ansiedlung eine Dorfschule. Der Unterricht wurde im ersten Jahr in Privaten Häusern durchgeführt. Aber sobald die Mittel aufgebracht waren, wurde eine Schule gebaut. Manchmal diente die Schule dann auch als Kirche. Die Mädchen gingen 6 Jahre zur Schule, die Knaben konnten nach Wunsch auch die 7. Klasse im Dorf Pretoria besuchen. Die Dörfer waren nicht groß, es gab nicht besonders viel Schüler, deswegen hatten die Schulen am Anfang nur einen großen Unterrichtsraum. Der Lehrer unterrichtete alle 6 Klassen gleichzeitig, bzw. abwechselnd. Der Lehrer wurde nach dem abgeschlossenen Vertrag bezahlt. Die ganz einfachste, in sehr ärmlichen Zuständen übliche Weise, war folgende: Der Lehrer wurde in Kost genommen, er bekam Speise in den Familien, wessen Kinder die Schule besuchten. Oder bekam er ein Gehalt von ca. 450 – 800 Rubel, je nachdem, wie viel Schüler er unterrichtete. Dazu bekam er auch teilweise Lebensmittel.

Die mennonitischen Dorfbewohner bauten, sobald möglich, auch Kirchen. Besonders schöne Kirchen entstanden in Nr.5 und Stepanowka. Schon in 10 – 15 Jahren kam Wohlstand in die Dörfer. Sie wurden vom Dorfsrat und dem Schulzen verwaltet. Auch die Ältesten der Gemeinden hatten ihr Sagen. Die Staatliche Beamten wurden neidisch über diesen relativen Wohlstand und der Ordnung, die in den deutschen Dörfern herrschte.
1919
Aus der Tabelle "Der Stand der wirtschaftlichen Entwicklung der deutschen Dörfer". Eintrag zu Kitschkas:
Bevölk.KüheFärseKälberPferdeFohlenSchweineFerkelSchafe + Lämmer
21076234377675018128
1920
Eine sehr schlechte Ernte.
1921
Dasselbe. Im Amtsbezirk Kitschkas gab es 40 Pud Kartoffeln vom ha und 4 Pud Weizen. Die Hungersnot brach ein. Der Vorsitzende des Amtsbezirkes Jakob Wolf war weise und kümmerte sich darum, dass das Saatgut von der Getreideablieferungspflicht verschont wurde. Im Amtsbezirk Kitschkas starben von Hunger 47 Menschen. In russischen und Baschkierendörfern war es noch schlimmer.
1927
Kitschkas wurde zum Zentrum der deutscher Siedlung, der so genannte "Podrajon", Kleinkreis. Es wurde eine Kreditgenossenschaft im Bauwesen organisiert.
1929
Entstand die MTS, Maschinen und Traktoren Station. Jukin war Direktor der Station; in der Werkstatt arbeiteten viele guten Fachmänner: Richard Lange, Peter Bergen, Jakob Lange (der Schmied), Otto Luzius, Schellenberg (Tischler) und andere. Mechaniker war Alexander S. Hesse. Es wurden große Gebäude aus Stein gebaut: eine Reparaturwerkstatt, ein Treibstofflager, und andere wirtschaftliche Gebäude. Einer der Baumeister war Lunin.
1929 – 1930
Wurden landwirtschaftliche Genossenschaften organisiert. Im Frühjahr 1930 begann die Entkulakisierung. Die MTS bekam 35 Traktoren "Djondir", hergestellt in den USA (?).
1931
Aus den landwirtschaftlichen Genossenschaften wurden Kolchose. Der in Kitschkas wurde "Uran" genannt. (Übrigens: die Kolchose wurde mehrfach umbenannt.)
1932 – 1933
Kitschkas wurde das Zentrum eines deutschen Kreises, bestehend aus 23 deutschen Dörfern, 2 russischen (Nowo-Spassk und Nowo-Nikol'sk), 3 Baschkirischen (Gabdrafikowo, Kutlumbet und Kunakbaj) und 1 Tatarischen, Almala(?). Der erste Vorsitzende des Exekutivkomitees des Rayonsowjets wurde Herr Wachtel. Die Rayonzeitung wurde herausgegeben unter Herrn Altner. Alle Kirchen und Gemeindehäuser wurden geschlossen.
1933
Die MTS bekam neue Traktoren CHTZ (aus Charkow) und STZ (aus Stalingrad). Mit der Entkulakisierung wurde fortgefahren. Zu den Kulaken wurden einfach wohlhabende tüchtige Bauern gezählt, wie D.A.Rempel, J.P.Peters, G.P.Penner (mein Vater, A.B.) und andere. Diese und noch andere verloren ihr Stimmrecht und wurden aus dem Dorf ausgesiedelt.
1934
Zum ersten mal wurde nach der Aussaatzeit das Traktorfest (nachher: Maifest) gefeiert. Es wurde auf der Wiese bei der Roten Mühle gefeiert. Es war immer sehr lebendig und interessant. Wurde viel gesungen, sportliche Wettbewerbe durchgeführt, gespielt. In diesem Jahr bekam die MTS auch ihre ersten Mähdrescher.
1937
Das "schwarze Jahr" unseres Landes. Verhaftet wurden der Direktor der MTS K.Huhn, der Chef-Ingenieur J.Wiebe, der Verwalter der Werkstatt W.G.Penner, der Brigadier der Traktorenbrigade P.G.Dick, die Schlosser Ju.Ju.Reimer, A.I.Chill u.a. 1935 – 1938 wurden ohne Grund und Ursache im Kitschkasrayon mehr als 200 Bewohner verhaftet. Und alle verschwanden spurlos.
1938
Eine neue Schule wurde eröffnet. Es gab zuerst in dieser Schule 4 große Klassenzimmer, einen Sportsaal, eine kleine Bibliothek, eine Garderobe, eine Lehrerwohnung. Aus Stein gebaut, mit je 3 großen Fenstern in jedem Klassenzimmer. Sie lag an der rechten Seite des Flusses Schuran, welcher das Dorf in zwei Teile trennte. Hier wurden in den Jahren 1936–1938 auch einige Wohnhäuser gebaut, ein Krankenhaus mit Apotheke. Aber eine richtige Strasse gab es hier erst in den 1950 – 1960 Jahren. In der Schule wurden ab sofort alle Fächer in russisch unterrichtet. Das war für die Schüler nicht einfach. Sie beherrschten nur wenig diese Sprache. Sie bereiteten die Hausaufgaben mit Hilfe der Wörterbücher vor.
1939, Feb.
Der deutsche Kitschkasrayon wurde abgeschaffen. Die Dörfer gehörten jetzt, je nach Lage zu den Kreisen Perewolozk, Pokrowka, Alexandrowka, Beloozjorka.
1941, Aug.
Die Bürger des Dorfes beschlossen den Verteidigungsfonds zu unterstützen. Sie brachten ihren ersten Beitrag ein: 2 Schweine, 3000 kg Weizen, 3000 kg Hafer. Im Dezember kam der zweite Beitrag: der 3-tägige Arbeitslohn eines jeden Kolchosbauers für die Bildung einer Tankkolonne. Der dritte Beitrag im Dez. 1942: 1 Rubel von jedem Trudoden’ für die Bildung einer neuen Tankkolonne. Dazu kam die Rüstungsanleihe.
1942 – 1943
Männer und Frauen mussten zur Trudarmee. Unter schwersten Bedingungen, in Hunger und Kälte mussten sie schwerste Arbeit leisten. Die Kinder im Dorf bei Verwandten, Bekannten oder sogar Fremden hinterlassen. Die Sorgen um sie drückten noch zusätzlich. Die Menschen starben in Mengen. Aus den 14 Dörfern wurden 862 Menschen eingezogen. Nach dem Krieg durften sie nicht in die Familien zurückkehren. Sie mussten weiter machen. Für eine unerlaubte Heimfahrt drohte ihnen das Kriegsgericht. Nach dem Krieg war die Wirtschaftslage im Kolchos "Krasnyj Kitschkas" sehr schwer. Es waren 246 Kolchosmitglieder und nur 69 Kühe, 86 Pferde und 60 Schweine in der Wirtschaft. Vorsitzende war seit 19... (?) J.J.Janzen. Er war ein vorbildlicher Leiter in all diesen schweren Jahren.
1950
Die erste Zusammenlegung kleiner Kolchose, Zentrum – Kitschkas, Kolchos im. Kalinina. .... ??? Vergleich. Kitschkas
1931 1976
45 Höfe 195 Höfe
210 Bewohn. 722 Bewohn.

verfasst von: Anna Bergmann - 01.05.2004 -